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Formel 1: Flavio Briatore macht die Königsklasse wieder unsicher - Damon Hill versteht Alpine-Deal nicht

VonMotorsport-Total.com

Publiziert 22/06/2024 um 13:05 GMT+2 Uhr

Flavio Briatore kehrt auf die ganz große Bühne des Motorsports zurück. Ab sofort tritt der Italiener als Berater für Alpine auf und soll den angeschlagenen Rennstall an die Spitze der Formel 1 führen. Unumstritten ist das Comeback des ehemaligen Benetton- und Renault-Chefs aber nicht. Bei Damon Hill überwiegt die Skepsis - und die Geschichte gibt dem Weltmeister von 1996 Recht.

Flavio Briatore soll Alpine unter die Arme greifen

Fotocredit: Getty Images

Flavio Briatore war noch nie für besonderes Understatement bekannt. Luca de Meo, der Renault-Konzernchef, der ihn zum Berater für das Formel-1-Programm von Alpine ernannt hat, sei "ein Genie", sagte Briatore im Interview mit "Canal+". "Der einzige Bereich, der im Konzern nicht so läuft, ist die Formel 1. Und da bin ich ein Genie! So haben wir wieder zusammengefunden."
"Was ich zurückbringen werde, ist die Siegermentalität. Das hat es mir möglich gemacht, mit Renault und Benetton zu gewinnen. Es sind immer die Menschen, die ein Team ausmachen. Die Technologie ist heute anders, aber den Unterschied machen die Menschen. Wir müssen dran glauben, dass wir Alpine innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder in die Top 4 bringen können."
Doch nicht alle sind begeistert über Briatores Comeback in der Formel 1. "Es ist außergewöhnlich. Ich kapiere es nicht. Es erstaunt mich", sagte "Sky"-Experte Damon Hill, der 1994 und 1995 der große Gegner von Michael Schumacher, Benetton und Flavio Briatore war. In einer Zeit, in der Schumacher unter Briatores Führung zum "Schummel-Schumi" wurde.
"Flavio", erklärte Hill, "sind Konventionen und Regeln egal. Offensichtlich. Das brachte ihn ja damals in Schwierigkeiten, und das ist seine Arbeitsweise. Aber das bereitet mir Sorge. Wir wollten doch eigentlich nicht zurück in diese Zeit, wo die Leichen im Keller rumliegen und Dinge passieren, die einen fahlen Beigeschmack haben."

Briatore: Seit Crashgate war er Persona non grata

Briatores Lebenslauf ist gepflastert von zweifelhaften Aktionen. 2008, beim Grand Prix von Singapur, instruierte das von ihm geführte Renault-Team Nelson Piquet Junior, das Auto zum richtigen Zeitpunkt in die Mauer zu setzen, um eine Safety-Car-Phase zu provozieren und so Teamkollege Fernando Alonso in Führung zu bringen. Ein Skandal, der als Crashgate in die Formel-1-Geschichte eingegangen ist.
Die FIA griff hart durch, als Crashgate durch Piquets Zeugenaussage ein Jahr später öffentlich bekannt wurde. Briatore wurde zunächst lebenslang von der Formel 1 ausgeschlossen, sein Chefingenieur Pat Symonds für fünf Jahre. Briatore protestierte gegen die Strafe und erzielte eine Aufweichung. Aus der lebenslangen Sperre wurde eine bis 2013.
Der Italiener kam zurück, als Manager mehrerer Fahrer - allen voran Fernando Alonso - und als Dealvermittler für die Formel 1 selbst, zum Beispiel beim Grand Prix von Aserbaidschan in Baku. "Er war ja nie ganz weg", analysierte "Sky"-Experte Karun Chandhok, "aber er hat nie für ein Team gearbeitet. Es ist schon eine ungewöhnliche Entscheidung."
Doch bei Alpine scheint man keine Skrupel zu haben, den einst in Ungnade gefallenen "Trickbetrüger" der Formel 1, wie er von manchen beschimpft wird, zurückzuholen. Trotz allem, was passiert ist. "Die Vergangenheit ist mir egal", winkte Teamchef Bruno Famin ab. "Ich schaue in die Zukunft. Wie können wir unser Team besser machen? Das ist das Ziel."
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Crash mit Folgen: Nelson Piquet Jr. setzt seinen Renault 2008 in Singapur absichtlich in die Wand

Fotocredit: Imago

Hill erschüttert: Wie kann das allen so egal sein?

Bei der Teamchef-Pressekonferenz am Freitag in Barcelona war Briatore natürlich ein großes Thema. Doch auch die anderen Teams scheinen sich wenig über das zu kümmern, was früher war. "Er hat den Preis für das, was er getan hat, bezahlt. Wenn man ihm jetzt erlaubt, zurückzukommen, dann darf er zurückkommen", findet etwa Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff stimmte zu: "Wir müssen zulassen, dass man sich rehabilitieren kann. Jeder verdient eine zweite Chance. Ich kenne Flavio als extrem smarten Geschäftsmann. Er hat viel Wissen über die Formel 1. Jeder Tipp, den er mir in den letzten zehn Jahren gegeben hat, war irgendwie nützlich. Er hat einfach viel Erfahrung, aus 40 Jahren Formel 1."
Aussagen, die Damon Hill erschütternd findet: "Ich habe die Teamchef-Pressekonferenz gehört, und ich muss sagen, ich bin enttäuscht", sagte er. Vor allem darüber, wie unbekümmert Alpine mit Briatores Vergangenheit umgeht. Denn Famin beantwortet kritische Fragen nach eben dieser lediglich mit nichtssagenden Floskeln.
So wollte zum Beispiel ein Journalist wissen: "Was sagt es über die Unternehmenskultur von Alpine und des Renault-Konzerns aus, dass betrügerisches Verhalten in der Vergangenheit offenbar irrelevant ist? Wie rechtfertigen Sie das? Was er gemacht hat, hat dem Team und der Marke Renault einen großen Imageschaden zugefügt."
Famin antwortete darauf, ohne die Frage wirklich zu beantworten, wenn er sagte: "Wir haben das klare Ziel, unsere Konkurrenzfähigkeit so schnell wie möglich zu verbessern. Dabei zählen wir auf das Wissen, das Netzwerk und den Einfluss von Flavio. Er ist ein Asset für uns. Und wir nutzen alle Assets, die uns zur Verfügung stehen, um das Team besser zu machen."
Längst vergessen die Tatsache, dass es einst der Renault-Konzern selbst war, der Briatore wegen Crashgate gefeuert hatte. Nicht zum ersten Mal, übrigens. Schon Ende 1997 wurde Briatore vom heutigen Team in Enstone gefeuert. Damals allerdings noch nicht von Renault, sondern von Luciano Benetton.
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Flavio Briatore wird Berater bei Alpine

Fotocredit: Getty Images

Ein von zweifelhaften Geschichten geprägter Lebenslauf

Jetzt ist er wieder da. Zum dritten Mal. Und es ist nicht nur sein Geschäftsgebaren in der Vergangenheit der Formel 1, das bei Briatore den einen oder anderen zusammenzucken lässt. Manche glauben, dass er sich auch vor der Formel 1 schon die Hände schmutzig gemacht hat.
So steht zum Beispiel in seinem Wikipedia-Eintrag: "Er begann zusammen mit dem Finanz- und Bauunternehmer Attilio Dutto seine Karriere als selbständiger Unternehmer. Die gemeinsamen Pläne mit Dutto musste Briatore bald darauf schon wieder aufgeben, als sein Kompagnon auf mysteriöse Weise bei einer Autobombenexplosion im März 1979 ums Leben kam."
Briatore selbst ist die Skepsis, die ihm von manchen ob seiner Vergangenheit entgegengebracht wird, egal. Auf die Frage, was er denjenigen entgegenhalte, die seine Rückkehr in ein Formel-1-Team kritisieren, musste "Sky" seine Antwort überpiepsen. Von der Länge her hätte das Piepsen für ein breit grinsendes "Fuck you!" gereicht.

Wie aktiv wird sich Briatore einmischen?

Spannend: Briatore wurde offiziell als "Executive Advisor" engagiert, also als operativer Berater. Der Zusatz "Executive" lässt erahnen, dass er sich mehr ins Tagesgeschäft einmischen wird als früher Alain Prost, der ebenfalls Berater war, aber neben dem Teammanagement wirklich nur eine beratende Funktion hatte, ohne operative Kontrolle.
Briatore wischte Bedenken, er werde fortan der heimliche Teamchef sein, vom Tisch, wenn er klarstellte: "Ich berichte an Luca de Meo. Ich werde nicht selbst die Reifen wechseln, und ich werde auch nicht das Auto fahren. Luca hat Probleme mit der Performance seines Teams und er hat mich gefragt, ob ich ihm als sein Berater helfen kann."
Also eine Rolle wie jene, die Niki Lauda früher bei Mercedes hatte, mit Toto Wolff als Teamchef an seiner Seite? "Wir haben einen Teamchef, der einen sehr guten Job macht. Das ist Bruno. Ich arbeite mit ihm zusammen, ich arbeite mit allen zusammen. Und wenn es notwendig ist, komme ich zu Rennen", erklärte Briatore.
Bratore wäre nicht Briatore, würde er nicht mit großen Ansagen auftauchen. "Ich glaube, dass es möglich ist, das Team wieder in die richtige Spur zu bringen", sagte er - und erhöhte gleich mal den Druck, wenn er sagte: "Wir reden nicht von zehn Jahren. In zwei Jahren werden wir dort sein." Und "dort" heißt konkret: Top 4.
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