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FC Bayern mit blutleerem Auftritt gegen "Lieblingsgegner" Werder Bremen: Das sind die FCB-Brennpunkte

Dennis Melzer

Update 22/01/2024 um 18:24 GMT+1 Uhr

Der FC Bayern verlor am Sonntag vor heimischer Kulisse überraschend gegen Werder Bremen, die bis dato schwächste Auswärtsmannschaft der Liga. Das 0:1 zum Rückrunden-Start legte schonungslos die Schwächen der Münchner offen, die in dieser Saison schon häufiger zur Sprache kamen. Thomas Tuchel ist nun als Feuerwehrmann gefragt - für einen metaphorischen Brand, den er mitunter selbst gelegt hat.

"Völlig unerheblich!" Tuchel erstickt Meisterschaftsdebatte

Party-Stimmung am Sonntagabend im Bauch der Allianz Arena.
Niklas Stark, seines Zeichens Innenverteidiger bei Werder Bremen, schritt - so die Überlieferungen - mit einer Box durch die Mixed Zone, aus der der musikalisch hoch anspruchsvolle Mallorca-Hit "Dicht im Flieger" von Julian Sommer dröhnte.
Ein Liedtitel, der offenbar als Marschroute für die norddeutschen Gäste dienen sollte. Denn: Stark und seine Kumpanen hatten tatsächlich allen Grund, sich auf der Rückreise das eine oder andere alkoholische Getränk zu gönnen.
Erstmals seit mehr als 15 Jahren (5:2 am 20. September 2008) hatte Werder die Bayern in einem Pflichtspiel bezwungen, dazwischen lagen sage und schreibe 32 sieglose Duelle mit dem Kontrahenten aus dem Süden. Bayerns Thomas Müller hatte vor Starks Boom-Box-Auftritt im Gespräch mit den anwesenden Reportern minutenlang nach Erklärungen für das eigentlich unerklärliche 0:1 gesucht.
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Tuchel rechnet mit Bayern-Stars ab: "Einfach ungenügend"

Dass ein gegnerischer Spieler das eigene Wohnzimmer schließlich als Feier-Bühne nutzte, war dem Ur-Münchner aber augenscheinlich zu viel. "Jetzt merkst du: Denen war es wichtig", kommentierte Müller mit Blick auf Stark und brach das Mixed-Zone-Interview kurzerhand ab. Die Schlusspointe eines gebrauchten Tages, die den Verdachte nahelegte, dass den Hausherren die Partie weniger wichtig war.
Und das, obwohl Tabellenführer Bayer Leverkusen tags zuvor in der Nachspielzeit 3:2 bei RB Leipzig gewonnen und den Vorsprung auf den Verfolger von der Isar auf sieben Punkte (bei einem Spiel mehr) ausgebaut hatte.
Dass die Bayern nach dem blamablen DFB-Pokal aus in Saarbrücken und der 1:5-Packung bei Eintracht Frankfurt nun auch noch gegen die bis dato schwächste Auswärtsmannschaft der laufenden Bundesligasaison verloren, bot reichlich Zündstoff. Vor allem die Art und Weise, wie sich der deutsche Rekordmeister präsentierte, legte schonungslos die - nicht nur - spielerischen Schwächen offen. Trainer Thomas Tuchel muss jetzt schleunigst einige metaphorische Brennpunkte löschen.

1.) Fehlende Tuchel-Handschrift

Dass Tuchel ein absoluter Fachmann, ein Coach von Format ist, hat er bei seinen Stationen Mainz, Dortmund, Chelsea und bisweilen auch Paris Saint-Germain hinlänglich bewiesen.
Seit seinem Amtsantritt beim FC Bayern Ende März vergangenen Jahres befindet sich der 50-Jährige allerdings auf der ständigen Suche nach einer klaren Philosophie, nach einer leserlichen Handschrift. Viel zu selten wusste sein Team unter seiner Ägide vollumfänglich zu überzeugen, der 4:0-Sieg beim BVB und das 3:0 gegen den VfB Stuttgart blieben in puncto Mannschaftsleistung rühmliche Ausnahmen.
Zumeist waren es die hochkarätigen Individualisten, namentlich Harry Kane, Jamal Musiala oder Leroy Sané, die die Defizite mit ihrer Klasse wettmachten und von einigen Unzulänglichkeiten ablenkten. Das unterscheidet die Bayern bislang in der aktuellen Spielzeit elementar vom Meisterschaftsrivalen aus Leverkusen, der dank Xabi Alonso mit einem auf dominantem, passgewaltigem, kreativem Ballbesitzfußball basierenden Konzept aufwartet.
Was Tuchel seiner qualitativ hochwertigen Truppe beispielsweise gegen Bremen mit auf den Weg gegeben hatte, erschloss sich hingegen nur bedingt, hinterließ stattdessen Fragezeichen. Ideenlos rannten die Bayern regelmäßig an, immer wieder verloren sich selbst die bereits genannten Leistungsträger in der vielbeinigen SVW-Abwehr. Einzig der (zu) spät (65.) eingewechselte Mathys Tel sorgte für mit seinen mutigen Aktionen für Torgefahr.
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Thomas Tuchel (FC Bayern München)

Fotocredit: Imago

Im Nachgang wurde aber nicht nur das Fußballerische, sondern auch die Mentalität von den Protagonisten in Frage gestellt. Sportdirektor Christoph Freund klagte zum Beispiel über fehlende Passion. "Heute haben wir blutleer gespielt in der ersten Halbzeit: Keine Leidenschaft, keinen Mumm. Das war einfach enttäuschend", sagte der Österreicher beim "BR": "Wenn wir was erreichen wollen, dann müssen wir alles dafür geben und das richtig wollen."
Joshua Kimmich, für den die Pleite gegen Werder ein Novum als Bayern-Spieler war, schlug in eine ähnliche Kerbe: "Das darf uns eigentlich nicht passieren, dass der Gegner hungriger ist als wir", erklärte der 28 Jahre alte Nationalspieler, der darüber hinaus gar eine Art Grundsatzfrage aufwarf: "Generell muss man die Herangehensweise hinterfragen. Man hat nicht das Gefühl, dass wir wissen, um was es geht."
Aussagen, die als Kritik an der generellen Ausrichtung gewertet werden durften. Neben Kimmich schien mit Sané noch ein weiterer Star mit der Taktik des Trainers zu hadern. Als Tuchel nach 65 Minuten Tel, Müller und Leon Goretzka ins Spiel brachte, verwandelte sich die defensive Vierer- in eine Dreierkette. Für Sané bedeutete dies, dass er auf seiner linken Seite eine defensivere Rolle einnehmen musste. Als Müller dem Ex-Schalker die Botschaft überbrachte, fingen die TV-Kameras Sanés merklichen Unmut deutlich ein.
"Das hänge ich nicht zu hoch", sagte Tuchel, als er mit ebenjener Situation konfrontiert wurde. Er schob nach: "Ich weiß, dass er immer ein, zwei Minuten braucht, um Sachen zu verdauen, die ihm nicht 100-prozentig schmecken." Letztlich war es dennoch eine Szene, die sinnbildlich stand.

2.) Diskrepanz zwischen Training und Spiel

Die Bayern nutzten die neun spielfreien Tage, um der Münchner Kälte zu entfliehen. Die Säbener Straße wurde gegen Trainingsplätze an der Algarve ausgetauscht. Dem Vernehmen nach soll Tuchel die treibende Kraft hinter dem Ausflug nach Portugal gewesen sein.
"Das gibt uns die Möglichkeit, mehr im Detail und mit Pausen zu trainieren - ohne dass man Angst haben muss, dass die Spieler auskühlen. Es war jetzt extrem kalt in München", begründete der gebürtige Krumbacher den Schritt. Die Zeit in deutlich wärmeren Gefilden, das machte Tuchel bei "Sky" deutlich, habe sehr geholfen.
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Der FC Bayern unterlag Werder Bremen

Fotocredit: Getty Images

"Die Mannschaft hat sehr gut trainiert und ich liebe diese Trainingslager einfach, weil es dir die Möglichkeit gibt, nach diesen guten Einheiten zusammenzubleiben", schwärmte er: "Keiner geht nach Hause, wo es sich dann verliert, sondern die Energie, die im Training entsteht, bleibt in der Gruppe und das merkt man uns an."
Auch kurz vor der Begegnung mit Bremen wurde Tuchel nicht müde, die positiven Erkenntnisse aus Faro bei "DAZN" darzulegen. "Wir haben sehr gut trainieren können. Die Temperaturen und die Bedingungen waren top. Es war ein guter Impuls." Dass regelmäßig eine riesige Diskrepanz zwischen Training und Spiel besteht, konnte er sich - wohlgemerkt im Vorfeld des Bremen-Spiels - nur folgendermaßen erklären: "Vielleicht wollen wir in den Spielen einfach zu viel. Wenn wir so spielen wie wir trainieren, müssen wir eigentlich nichts mehr draufsetzen."
Im Verdacht, gegen Bremen zu viel zu wollen, standen die Bayern - wie bereits skizziert - nicht. Ratlosigkeit über die erheblichen Unterschiede zwischen Training und Spiel machte sich bei Tuchel hinterher breit. "Ich habe keine Lust mehr zu sagen, dass wir gut trainiert haben. Das glaubt ja auch keiner mehr, wenn wir so spielen."

3.) Goretzkas Startelf-Verbannung

Schon beim 3:0 gegen die TSG 1899 Hoffenheim musste Leon Goretzka zunächst auf der Bank Platz nehmen, am Sonntag fristete der Mittelfeldmann erneut ein Dasein als Reservist.
Beide Male erhielt Neuzugang Raphael Guerreiro den Vorzug vor dem 28-Jährigen, beide Male riss der Portugiese keine Bäume aus. Entsprechend kräftig bläst mittlerweile auch der mediale Gegenwind in Tuchels Gesicht.
Lothar Matthäus kritisierte Tuchel wegen dessen Goretzka-Entscheidung bei "Sky 90" scharf. "Dass Goretzka wieder nicht von Anfang an gespielt hat, ist für die Stimmung nicht gut. Diese Entscheidung können auch die Spieler nicht verstehen", so Matthäus.
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Leon Goretzka musste gegen Bremen erneut auf die Bank

Fotocredit: Imago

Der frühere Bayern-Profi weiter: "Goretzka ist angesehen, hat viele Kumpels in der Mannschaft und ist lange dabei. Er ist ein Mentalitätsspieler, der gerade in solchen Spielen genau das mitbringt, was sonst keiner hat: Enorme Kraft, um in den Strafraum zu kommen. Die Wege, die er geht. Die Zweikämpfe, die er führt und die Persönlichkeit, die mit ihm auf dem Platz steht."
Qualitäten, die laut Matthäus "gegen Bremen gefehlt haben". Goretzka ließ sich nach seiner Einwechslung in der 65. Minute nichts anmerken, betrieb Eigenwerbung im zentralen Mittelfeld. Dass er dennoch enttäuscht war, wurde erst nach Abpfiff deutlich.
In der Mixed Zone auf die Situation angesprochen, zog der Nationalspieler mit drei Worten von dannen: "Sorry, heute nicht."
Tuchel hat also viel Arbeit vor sich, um seine Mannschaft binnen kürzester Zeit für das Nachholspiel gegen Union Berlin am Mittwoch (20:30 Uhr im Liveticker) wieder in die Spur zu bringen.
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Tuchel sarkastisch nach Standard-Frage: "Wollten ins Aus spielen"

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