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EM 2024: Niclas Füllkrug macht's gegen die Schweiz wie Oliver Neuville - kleine Explosion mit großer Wirkung

Patrick Strasser

Publiziert 24/06/2024 um 10:20 GMT+2 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich auf den letzten Drücker den Gruppensieg bei der Heim-EM geschnappt und dabei emotionale Erinnerungen an das Sommermärchen von 2006 geweckt. Der späte 1:1-Ausgleich durch Niclas Füllkrug gegen die Schweiz erzeugte eine kleine Explosion innerhalb der DFB-Elf. Doch abseits der Euphorie lauern einige Gefahren - und im Achtelfinale womöglich ein dicker Brocken.

Füllkrug als Joker zu gut? Nagelsmann erklärt Startelf-Dilemma

Die Nachspielzeit lief bereits. Aus dem Mittelkreis wurde der Ball flach verlagert, dann folgte ein Chip auf die Außenbahn. Ein Sprint, eine Flanke, das Tor - die Erlösung.
Die Stationen hießen: Torsten Frings auf Bernd Schneider, der zum eingewechselten David Odonkor und der flankte auf den eingewechselten Oliver Neuville, der die Kugel über die Linie drückte - das 1:0 gegen die Polen bei der WM 2006.
Jenes Last-Minute-Tor in Dortmund gilt auch 18 Jahre danach noch als der Erweckungstreffer des Sommermärchens. Nach dem lockeren 4:2 zum Auftakt gegen Costa Rica folgte ein hartes, enges Spiel. Ein ständiges Anrennen des Favoriten mit dem späten Happy End, das eine Gefühlsexplosion auslöste. Julian Nagelsmann war damals 18 Jahre alt.
An diesem Sonntagabend in Frankfurt sah der Bundestrainer, heute 36, in der zweiten Minute der Nachspielzeit der dritten EM-Vorrundenpartie gegen die Schweiz einen ganz ähnlichen Spielzug: Ilkay Gündogan passte aus dem Zentrum auf die linke Seite.
Der eingewechselte David Raum stoppte den Ball, verzögerte kurz, flankte dann auf den Kopf des ebenfalls eingewechselten Niclas Füllkrug und der Mittelstürmer köpfte unhaltbar ins lange Eck ein - das 1:1, doch noch der Gruppensieg.

Trotz Gruppensieg: DFB-Elf droht sogar England

Die erste Pleite bei dieser EM gerade noch so abgewendet, heißt es nun: Achtelfinale in Dortmund am Samstag um 21:00 Uhr. Der Gegner wird der Zweite der Gruppe C. Von England bis Dänemark, Slowenien und Serbien ist noch alles möglich - am Dienstagabend weiß man mehr.
"So ein kleiner Explosionsmoment war nicht verkehrt zum Ende des Spiels", sagte Nagelsmann über den späten Ausgleich. "Auch für das Stadion war es wichtig. Es war lange Zeit sehr ruhig."
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Füllkrug: Jokertor "schafft Erinnerungen"

Die Schweizer, der definitiv härteste und spielstärkste Gegner im Vergleich zu den ersten beiden Gruppenspielen gegen Schottland (5:1) und Ungarn (2:0), verteidigten leidenschaftlich, konterten geschickt und hatten das Glück bei VAR-Entscheidungen auf ihrer Seite. Die flinken und aggressiven Angreifer der Gäste stellten das Heimteam vor Aufgaben, die sie in der 28. Minute nicht mehr lösen konnten.
Nach Flanke von Freuler - sowohl Kimmich als auch Rüdiger verteidigten nicht konsequent - drückte Ndoye den Ball wuchtig in Neuers kurzes Eck zum 0:1. Der erste Rückstand bei dieser EM, damit begann der erste echte Härtetest des Turniers. Eine Probe der Widerstandsfähigkeit, eine Frage der Moral.

Füllkrug: "Kann schon ein Knackpunkt-Moment sein"

Bestanden. "Wir haben in der Gruppenphase viel erlebt und sind immer gut rausgekommen. Das späte 1:1 nehme ich lieber als ein 4:0 für die nächsten Wochen", meinte Nagelsmann. "Ein 4:0 ist entspannter, aber emotionalisierender ist so etwas."
So ein Last-Minute-Glück eben. "Die Flanke von David ist eine Waffe, sie kam perfekt", freute sich Füllkrug. "Das war ein toller, ganz wichtiger Moment, eine kleine Explosion für das Land und für uns als Mannschaft, weil wir mit der gesamten Bank feiern konnten. Ganz toll. Das schafft Erinnerungen und kreiert Gefühle innerhalb der Mannschaft. Das kann schon ein Knackpunkt-Moment und auch entscheidend für uns gewesen sein, was den Turnierbaum betrifft. Ich freue mich, dass wir nun ein Achtelfinale in Dortmund haben, das kann schon viel wert für uns sein, ein großer Heimvorteil."
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Niclas Füllkrug

Fotocredit: Getty Images

Vorerst nehmen die Nationalspieler die Energie vom Main mit in die nächsten Tage in Herzogenaurach. Nach dem Regenerationstag und dem Spiel-Ersatztraining für die Reservisten am Montag haben alle Spieler am Dienstag einen Tag frei.
Das Trainerteam dagegen wird Videos sichten und sich die Frage stellen, wie der Leistungsabfall zustande kam. Nagelsmanns Auswahl (Never change a winning team) tat sich schwer, kam nicht recht in die Gänge. Fehlte die Anspannung, der unbedingte Siegeswille? Das Gewinnenmüssen?

Joker drängen in die Startelf

Was die Startelf, zum dritten Mal hintereinander, unverändert nicht schaffte, richteten dann die Joker - alle Joker. Zur Halbzeit wechselte Nagelsmann nicht, er zog seine Linie des Vertrauens durch.
Nach einer Stunde ersetzte David Raum ersetzte Maximilian Mittelstädt auf links, Innenverteidiger Nico Schlotterbeck kam für den mittlerweile Rot-gefährdeten Jonathan Tah und später Maximilian Beier für den Gelb-vorbelasteten Robert Andrich (65.). Niclas Füllkrug und Leroy Sané, Nagelsmanns letzte Joker, hätte man früher als ab der 76. Minute erwartet.
"Wir haben sehr viel riskiert, haben Jamal Musiala und Flo Wirtz für noch mehr Speed und Risiko geopfert. Natürlich kannst du da auch ein zweites Gegentor kriegen", erklärte Nagelsmann und witzelte: "Aber wer nicht wagt, der nicht unentschieden spielt in diesem Fall."
Ganz generell war es "eine sehr gute Probe für die K.o.-Spiele und ein gutes Zeichen, dass wir zurückkommen können", freute sich der Bundestrainer.

Wer ersetzt den gesperrten Tah?

Schien die Startelf bislang in Stein gemeißelt, stellen sich nun vor dem Achtelfinale einige Personalfragen, allen voran die nach dem echten Mittelstürmer Füllkrug. Soll, nein, muss der BVB-Stürmer am Samstag von Beginn an ran für den blassen Kai Havertz, der einfach kein zentraler Stoßstürmer ist?
"Kai hatte drei gute Chancen, hat ein gutes Spiel gemacht", lobte Nagelsmann den Profi vom FC Arsenal, sagte aber auch: "Das sind dann so Momente, in denen wir Fülle brauchen. Er liefert Argumente für beide Sachen, als Joker weiter zu fungieren, weil er es super macht oder eben auch mal von Beginn an. Das ist Freud und Leid für ihn zugleich, dass er die Rolle gut erfüllt."
Füllkrugs Argumente in Zahlen: 19 Länderspiele, 13 Tore, zwei Vorlagen. Dabei wurde er 13-mal eingewechselt, erzielte sieben Joker-Tore.

Fällt Rüdiger am Samstag verletzt aus?

Und wer ersetzt den Gelb-gesperrten Tah? Wieder der diesmal gebrachte Schlotterbeck oder Waldemar Anton? "Schlotti hat es gut gemacht, er musste sehr viel Raum verteidigen. Er und Waldi haben ein Duell. Beide haben es verdient, weil sie es gut machen. Waldi trainiert herausragend gut. Er hätte schon längst einen Einsatz verdient."
Womöglich kommen die künftigen Vereinskollegen sogar beide zum Einsatz, da Antonio Rüdiger gegen Ende der Partie von Oberschenkelproblemen geplagt wurde. Ich hoffe, dass es nicht so schlimm ist. Mal gucken. Das kann durchaus problematisch sein. Ein Ausfall des eingespielten Duos Tah/Rüdiger wäre ein herber Verlust.
Wirklich wichtig aber ist die Moral und das besondere Feeling, das der Abend in Frankfurt bescherte. Der Dämpfer wurde dankend angenommen, die Sinne sind geschärft. Die Beinahe-Niederlage tut nicht weh, sondern gut. Nagelsmann sprach von "einem besonderen Geist. Den müssen wir uns bewahren, das kann viel auslösen."
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"Bringt nichts": Nagelsmann schweigt sich bei Wunschgegner aus


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