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Tony Martin im Interview über Trainingsmonster Primoz Roglic von Bora-hansgrohe: "Privat nicht immer leicht"

Andreas Schulz

Update 14/03/2024 um 08:48 GMT+1 Uhr

Jonas Vingegaard und Primoz Roglic sind nach Jahren als Teamkollegen ab 2024 als Rivalen unterwegs und werden gegeneinander um den Sieg bei der Tour de France kämpfen. Tony Martin, der drei Saisons ebenfalls Mannschaftskamerad des Duos im Topteam Jumbo-Visma war, verrät im Exklusiv-Interview mit Eurosport.de, für welchen der Stars die gemeinsame Vergangenheit zum Vorteil werden wird - und warum.

Großer Moment: Vingegaard und Roglic rollen Hand in Hand ins Ziel

Vom Edelhelfer zum teaminternen Rivalen und jetzt zum Gegner: Jonas Vingegaard und Primoz Roglic haben eine wechselvolle gemeinsame Geschichte, die nun um ein neues Kapitel erweitert wird. Während der zweifache Tour-Sieger aus Dänemark im Juli für Visma nach dem Hattrick greift, will der Slowene im Trikot von Bora-hansgrohe nach Giro und Vuelta endlich auch den Triumph in Frankreich.
Tony Martin hat beide Topstars in gemeinsamen Jahren hautnah erlebt und erklärt, wer den größeren Profit aus der neuen Konstellation schlagen dürfte.
Außerdem gibt der vielfache Zeitfahr-Weltmeister ganz persönliche Einblicke zu Roglic und gesteht, dass er im jungen Neuzugang Vingegaard einst nicht sofort einen zukünftigen Dominator erkannte.
Der Wechsel von Primoz Roglic zum Team Bora-hansgrohe war der spektakulärste Transfer für diese Saison. Sie haben ihn als Gegner wie als Teamkollegen viele Jahre erlebt. Was macht den Slowenen aus?
Tony Martin: Er ist extrem ehrgeizig und zielstrebig. Vielleicht kommt dieses Mindset sogar noch aus seiner Zeit als Skispringer - aber er kann sich total auf den Moment, auf den Wettkampf fokussieren und lässt sich dann von nichts ablenken. Er braucht auch keine Teambesprechung oder jemand, der ihm viel sagt: Er schaut sich das Roadbook an und weiß dann genau, wo die entscheidenden Stellen sind, wo er attackieren will - er hat eigentlich immer einen Plan. Seine große Willensstärke beweist er aber nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Training.
Wie zeigt sich das?
Martin: Ich habe nie einen anderen Sportler oder Teamkollegen erlebt, der so hart und zielstrebig trainiert. Bei Primoz im Training mitzufahren, ist für manche Profis schon wie ein Wettkampfniveau. Gerade wenn er im Höhentrainingslager seine Intervalle am Berg fährt, ist das unglaublich. Da geht er ans Limit und ist extrem hart zu sich selber - und auch zu seiner Familie. Denn er investiert sehr viel Zeit in Trainingslager zwischen den Rennen und ist nur wenig daheim. Das ist privat nicht immer leicht.
Primoz ist sehr entspannt, trinkt auch mal abends ein Bier und ist gegenüber den Teamkollegen sehr dankbar.
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Primoz Roglic (l.) und Jonas Vingegaard bei der Dauphiné 2022

Fotocredit: Getty Images

Wie ist der Mensch Primoz Roglic, der hinter dem harten Arbeiter steckt?
Martin: Er ist ein sehr lebenslustiger, positiv eingestellter Mensch. Er lacht total gerne, packt Anekdoten aus und man kann sich mit ihm sehr gut über alle möglichen Themen unterhalten - er spricht ja sehr gutes Englisch. Im Gegensatz zu seiner Wettkampf- und Trainingsmentalität ist er privat oder am Essenstisch nach dem Rennen entspannt, trinkt abends mal ein Bier und ist gegenüber den Teamkollegen sehr dankbar und wertschätzend für deren Einsatz. Zum Saisonende gab es da durchaus auch Geschenke für die geleisteten Helferdienste das ganze Jahr über. Insofern ist er wirklich ein toller Kapitän, für den ich mich gerne aufgeopfert habe.
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Tony Martin und Primoz Roglic bei der Tour de France

Fotocredit: Getty Images

Auch mit Jonas Vingegaard waren Sie drei Jahre gemeinsam im Team - haben Sie sein Potenzial von Anfang an gesehen?
Martin: Ich bin mit Jonas zusammen zu Jumbo gekommen und ich weiß noch, dass wir gleich beim ersten Teamtreffen zusammen ein Hotelzimmer hatten - da sind wir uns gleich als "die Neuen" nähergekommen. Deshalb kenne ich ihn auch ganz gut. Sein Potenzial habe ich ehrlich gesagt damals noch nicht gesehen, aber ich kann mich an ein Gespräch mit Grischa Niermann erinnern, unserem Sportlichen Leiter bei Jumbo: Er sagte bereits damals in Jonas erstem Jahr, dass der das nächste große Ding sei. Grischa war ja maßgeblich an seiner Verpflichtung beteiligt und Leistungstests haben anscheinend gezeigt, dass aus diesem Talent einmal ein ganz Großer wird. Wenn eine solche Einschätzung sich dann so bewahrheitet wie bei ihm, ist das herausragend und unterstreicht, wie gut das Team in solchen Fällen Talente findet oder Fahrer weiterentwickelt.
Das gilt längst nicht nur für Vingegaard, sondern auch für Fahrer wie Christophe Laporte, Matteo Jorgenson, Olav Kooij, Jan Tratnik …
Martin: Ja, eigentlich fast jeder Fahrer, der ins Team kommt, wird zu einer Erfolgsgeschichte. Das hat einerseits mit dem ganzen Umfeld zu tun, den trainingswissenschaftlichen Maßnahmen etc., aber auch mit der Auswahl der Fahrer, die sie ja gezielt hinzuholen. Ein so gutes Scouting ist Gold wert. Was aber auch eine wichtige Rolle spielt, ist die Atmosphäre im Team: Du ziehst das Trikot an und weißt, du bist in einer "Meistermannschaft" - das ist einfach die Mentalität eines Gewinnerteams. Das habe ich so in meinen Jahren beim "Wolfpack" von Quick-Step auch erlebt. Das gibt einem Selbstvertrauen und zusätzlichen Schub, was sich in den Ergebnissen dann niederschlägt.
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Großer Moment: Van Aert und Laporte rollen gemeinsam ins Ziel

Wie viel macht es für Vingegaard und Roglic aus, dass sie sich sehr gut kennen, auch hinter den Kulissen, wenn sie als Gegner bei der Tour aufeinandertreffen?
Martin: Aus meiner Sicht macht das extrem viel aus. Sie können sich gegenseitig sehr gut einschätzen, Jonas wahrscheinlich Primoz sogar etwas besser als umgekehrt. Denn er ist als Helfer für ihn gefahren, hat viel für ihn gearbeitet und da natürlich auch Anweisungen von ihm bekommen. Daher weiß er, was Primoz wann gerne hätte und was eher nicht - davon kann Jonas profitieren. Er weiß vielleicht: Roglic mag es im Finale nicht, die letzten zwei Kilometer voll zu fahren, sondern kommt lieber erst auf den letzten 500 Metern - nur als mögliches Beispiel.
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Primoz Roglic (l.) und Jonas Vingegaard bei der Dauphiné 2022

Fotocredit: Getty Images

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Thank you, Tony - Seriensieger Martin bei WM gewürdigt

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