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Tour de France: Pogacar, Vingegaard, Roglic, Evenepoel im Favoritencheck - Voigt zu Stars, Etappen und deutschen Chancen

Andreas Schulz

Update 29/06/2024 um 10:42 GMT+2 Uhr

Mit vier großen Favoriten, acht deutschen Profis und einem Rekordjäger startet die Tour de France am Samstag in Florenz. Eurosport-Experte Jens Voigt schätzt die Siegchancen der Stars, die Optionen von Deutschlands Etappenjägern und Schlüsseletappen der Strecke ein. Besonders ein Tour-Tag könnte für die 176 Fahrer zur Hölle werden, prognostiziert er im Exklusiv-Interview zur Frankreich-Rundfahrt.

Streckencheck zum Tour-Auftakt: "Hier wird's richtig krachen!"

Am Samstag startet die Tour de France in Florenz und macht sich damit bei ihrer 111. Auflage erstmals von Italien aus auf den Weg. Auch das Finale wird eine Premiere sein, denn wegen der Olympischen Sommerspiele in Paris endet das Rennen diesmal am Mittelmeer in Nizza.
Selten gab es so viele großen Namen, die sich Hoffnungen auf den Gesamtsieg machen konnten, selten waren Auftakt- und Schlusswochenende so schwer: Die Fans können sich also auf drei Wochen Hochspannung freuen.
Diese Tour wird zum Duell von vier absoluten Topstars - wie sehen Sie die Chancen des Favoriten-Quartetts?
Jens Voigt: Ich kann das für jeden von ihnen kurz auf den Punkt bringen:
Tadej Pogacar gewinnt die Tour, wenn er die ersten zehn Tage aggressiv fährt und genügend Zeit auf die Konkurrenz herausholt. Denn meistens werden die Fahrer, die wie er den Giro bestritten haben, in der zweiten Hälfte der Tour etwas müde.
Jonas Vingegaard gewinnt wie Tour, wenn er ruhige erste zehn Tage bekommt, um nach der Verletzungspause seinen Rhythmus zu finden.
Remco Evenepoel gewinnt die Tour, wenn er beide Zeitfahren gewinnt und in den Bergen ums Überleben kämpft.
Primoz Roglic gewinnt die Tour, wenn er nicht stürzt und am letzten Tour-Wochenende keinen Zusammenbruch erleidet wie 2020, als er das Gelbe Trikot noch an Pogacar verlor.
Das deutsche Kontingent bei dieser Tour ist mit acht Fahrern nicht groß, aber mit Sprintern, Edelhelfern und Etappenjäger sehr stark besetzt. Was trauen Sie ihnen zu?
Voigt: Das sind alles sehr, sehr gute Fahrer. Wir müssen aber festhalten, dass keiner von ihnen auf das Grüne Trikot oder das Gelbe Trikot fahren kann. Vielleicht kann Simon Geschke - wie zuletzt beim Giro - das Bergtrikot jagen. Nils Politt wird sich voll für Pogacar ins Zeug legen, Phil Bauhaus kann in den Sprints wieder Spitzenplätze holen. Wir haben wirklich tolle Fahrer dabei, ob nun Georg Zimmermann, Nico Denz, Pascal Ackermann, Nikias Arndt und John Degenkolb, die alle ihrer Qualitäten schon bewiesen haben. Sie können uns alle überraschen, aber eine sichere Bank wie einst Tony Martin oder Marcel Kittel ist nicht mehr dabei.
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Das Startwochenende in Italien hat es richtig in sich, wie schätzen Sie die beiden Etappen nach Rimini und Bologna ein?
Voigt: Auf der 1. Etappe wird es direkt viel Action geben, aber am Ende kommen aus meiner Sicht trotz der sieben Bergwertungen wohl etwa 50 Fahrer gemeinsam an. Dabei werden die Tourfavoriten versuchen, möglichst jede Bonussekunde im Sprint mitzunehmen. Auf der zweiten Etappe ist die Zielrunde in Bologna mit ihrer Rampe erstaunlich schwer und dort wird Pogacar den Fehdehandschuh in den Ring werfen.
Welche Rolle spielt die 9. Etappe rund um Troyes mit ihren nicht asphaltierten Feldwegen, könnte das für manche Favoriten zur vielleicht größten Herausforderung werden?
Voigt: Das kann entweder die langweiligste Etappe dieser Tour werden - oder die spektakulärste, da stehen die Chancen 50:50. Alle großen Teams haben riesig Schiss vor diesem Tag. Sie haben sie alle im Detail inspiziert und sind dadurch so perfekt darauf vorbereitet, dass vielleicht am Ende gar nichts passiert. Oder aber einer der Stars hat Defekt, dazu kommt ein Sturz im Staub schon beim ersten Gravel-Abschnitt - und dann wird’s die Hölle und jeder fährt ums Überleben. Es wird also entweder eine enttäuschende Etappe oder unfassbar spannend, dramatisch und für einen oder zwei Topfahrer das Ende ihrer Podiumshoffnungen.
Erstmals seit Jahrzehnten endet die Tour wieder mit einem Zeitfahren am Schlusstag. Was ist mit Ihrer Erfahrung als einstiger Spezialist in dieser Disziplin auf den knapp 34 Kilometern von Monaco nach Nizza möglich?
Voigt: Ganz am Ende einer Tour gewinnt nicht immer der Spezialist, sondern oft der Fahrer mit den größten Reserven. Das ist eine Reise ins Ungewisse - zumal das Profil mit den zwei Anstiegen richtig schwer ist. Es wird nochmal sehr, sehr spannend, anders als das erste Zeitfahren: Da ist Weltmeister Evenepoel für mich der klare Favorit, während es auf der 21. Etappe und deren Profil eher Pogacar und Roglic sind. Was ich an dem Abschlusszeitfahren aber gar nicht mag, ist die Abfahrt hinunter ins Ziel. Wenn da der Wind vom Meer noch reinweht, wird es richtig gefährlich. Wir haben da früher bei Paris - Nizza schon zu meiner Zeit auf dieser breite Straße teilweise über 80 km/h auf den normalen Straßenrädern erreicht! Mit den Zeitfahrmaschinen werden die Fahrer dort wahrscheinlich auf 100 km/h kommen und falls dann noch der Mistral bläst, macht mir das Angst, gerade mit Blick auf leichtgewichtige Bergspezialisten.
Eine Abfahrt könnte auch die erste große Bergetappe entscheiden: Schon am vierten Tag geht es über den Galibier und dann hinunter ins Ziel. Wie riskant ist das, wenn ein Top-Abfahrer da attackiert und die Gegner zu extremem Risiko zwingt?
Voigt: Da wäre Tom Pidccock ein Kandidat und ich denke, er könnte auf solche spektakulären Auftritte setzen und sich so auch das Bergtrikot dieser Tour holen, zusammen mit ein paar Etappensiegen. Denn als Anwärter in der Gesamtwertung sehe ich ihn nicht. Diese Etappe speziell wird aus meiner Sicht noch keine absolute Schlüsselstelle dieser Tour sein, denn der Galibier kommt etwas zu früh im Verlauf der drei Wochen und liegt etwas zu weit vom Ziel entfernt.
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Mark Cavendish greift nun zum letzten Mal nach dem alleinigen Rekord an Tour-Etappensiegen, ein Erfolg fehlt ihm noch. Sie sind viele Jahre mit ihm gefahren - klappt es diesmal trotz der starken Konkurrenz und seines Alters?
Voigt: So wie ich ihn kenne, gilt bei Cav Folgendes: Man kann ihm keinen größeren Gefallen tun, als schlecht über seine Chancen zu reden und ihn abzuschreiben. Denn das macht ihn extrem wütend und er zieht daraus dann direkt 25% mehr an Energie. Er gewinnt dann einfach aus Wut und Trotz, um zu zeigen, dass er es noch kann. Was ich sagen will: Er hatte schon so viele Comebacks nach Stürzen, Krankheit, Problemen mit Teams. Er braucht sicher ein wenig Glück, er ist nicht mehr so schnell und dominant wie einst. Er kann es nicht mehr erzwingen, so wie er es früher konnte. Es muss alles passen, aber ich sehe eine echte Chance, dass er es macht. Er hat, zusammen mit seinem Anfahrer Michael Mörkov, das Wissen, die Routine, das Können - aber es muss wirklich alles funktionieren, damit es klappt.
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