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Tour de France - Geschichte(n): Bus-Chaos auf Korsika 2013, Hallen-Start 1996, russische Debüts und Puerto ante portas

Andreas Schulz

Update 29/06/2024 um 10:54 GMT+2 Uhr

Die Geschichte der Tour steckt voller Highlights, Dramen, Tiefpunkte: Dabei muss man gar nicht ewig in den Geschichtsbüchern zurückblättern. Wir blicken in unserer täglichen Serie zurück auf besondere Momente, die sich heute jähren - und auf spezielle Tour-Höhepunkte aus deutscher Sicht. Heute u.a. mit Marcel, Kittel, Tony Martin, Miguel Indurain, Rudi Altig, der Puerto-Affäre - und dem Orica-Bus!

"Völlig verrückt!" Kittel über den Chaos-Sprint zu Gelb und seinen ersten Tour-Sieg

Der 29. Juni - kein Tour-Tag wie jeder andere:
In den letzten Jahrzehnten war die Tour nur selten schon im Juni unterwegs - aber vier Austragungen starteten schon so früh und besonders die 100. Auflage 2013 brachte denkwürdige Momente:
Das große Jubiläum sollte mit dem ersten Besuch der Tour auf Korsika gefeiert werden, doch der Auftakt kippte in der letzten Stunde der Etappe von Porto Vecchio nach Bastia in eine Mischung aus Slapstick und Chaos.
Auslöser ist der Teambus des australischen Orica-Rennstalls, der eigentlich nur wie üblich lange vor dem Feld im Zielbereich ankommen will - aber am Gerüstbogen über dem Ziel hängen bleibt und sich so verkeilt, dass es lange weder vor noch zurück geht.
Hektisch wird über Alternativen beraten und im ersten Schritt ein Sprint zehn Kilometer vor Bastia als Lösung beschlossen und kommuniziert. Wenig später dann die Wende, der Bus kann die Ziellinie doch verlassen, Plan B wird aufgehoben - doch da ist das Feld schon fast da. Am Ende jubelt Marcel Kittel über den ersten seiner 14 Tour-Etappensiege und schlüpft ins Gelbe Trikot.
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Tour-Geschichte: Bus blockiert Zielline bei Auftakt auf Korsika 2013

Kittels Freund Tony Martin hingegen stürzt auf den letzten Kilometern fürchterlich und kommt schwer gezeichnet ins Ziel. Kaum einer glaubt daran, dass der Zeitfahrweltmeister die Tour fortsetzen kann. Doch Martin kämpft sich dick bandagiert durch und belohnt sich später dafür mit einem Sieg in seiner Spezialdisziplin.
Tony Martin, Tour de France 2013
1996 ging die Tour von s'Hertogenbosch auf die Reise, wie seinerzeit üblich mit einem kurzen Zeitfahren. Knapp zehn Kilometer waren zu bewältigen - und das Wetter in den Niederlanden war gruselig. Es regnete zum Auftakt am 29. Juni fast pausenlos, um so passender war eine einmalige Neuerung in der Tour-Geschichte: Gestartet wurde in einer Halle!
Lange blieben die Fahrer aber nicht trocken, zumindest aber die Ehrengäste waren für diese "Premiere" dankbar:
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Tour 1996: Prolog-Start unterm Hallendach

Fotocredit: Getty Images

Historisch war der 29. Juni 1996 aber auch noch aus einem anderen Grund: Denn die Fans sahen bei jenem Prolog Miguel Indurain zum letzten Mal in seiner Karriere im Gelben Trikot. Als Vorjahressieger trug er das "maillot jaune" aus zeremoniellen Gründen. Als der Top-Favorit nach 9,4 Kilometern nur die siebtbeste Zeit ablieferte, hätte dennoch niemand erwartet, dass der Spanier nach historischen fünf Gesamtsiegen in Serie drei Wochen später in Paris nicht einmal in den Top Ten sein würde.
Exakt 60 Tage trug Indurain in seiner Karriere "Gelb" - und am jenem Samstag nochmals exakt 11:05 Minuten lang als Bonus.
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Miguel Indurain 1996

Fotocredit: Getty Images

Ruhe vor dem Sturm: Ein ganz besonderer Tour-Tag war auch der 29. Juni 2006, wenn auch aus sehr speziellen Gründen. Seit Wochen sorgte die Fuentes-Affäre für Schlagzeilen, die Lage war hochexplosiv, hinter den Kulissen wurde hektisch Krisenmanagement betrieben. Viele Topstars standen unter massivem Doping-Verdacht: Ivan Basso, Francisco Mancebo, das Astana-Team - und eben auch Jan Ullrich und Oscar Sevilla.
In diesem Klima fand die Team-Präsentation in Straßburg statt - eigentlich ein Anlass für wunderbare Bilder vor der historischen Kulisse im Elsass. Zumal die Mannschaften romantisch in Booten zur Bühne transportiert werden. Das Duo von T-Mobile ist dabei noch zu Späßen aufgelegt - dass sie die Tour gar nicht in Angriff nehmen würden, können sich Sevilla und Ullrich da wohl noch gar nicht vorstellen.
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Jan Ullrich und Oscar Sevilla 2006 in Straßburg

Fotocredit: Getty Images

Wahrlich historisch war, was der 29. Juni 1990 brachte: Bei der Tour-Präsentation im Freizeitpark Futuroscope war es durch die weltpolitischen Umwälzungen endlich soweit, dass Teilnehmer aus Osteuropa bei der Tour an den Start gehen konnten. So ist mit ALFA-LUM ein Rennstall am Start, für den nur Fahrer aus der UdSSR antraten.
Im Aufgebot von Panasonic (Bild unten ) wiederum standen ein gewisser Olaf Ludwig - von dem noch die Rede sein wird in den nächsten Jahren bei der Tour - und Vjatcheslav Ekimov: Der Russe wird es am Ende auf 15 Tour-Stars bringen und als Edelhelfer von Lance Armstrong eine wichtige Rolle spielen..
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Panasonic Tour 1990

Fotocredit: Imago

Abschließend ein Blick noch etwas weiter zurück in die Tour-Geschichte - auf die fast kurios schicksalhafte Verbindung zwischen Rudi Altig und dem 29. Juni. Im Jahr 1962 geht sein Stern so richtig auf: Er gewinnt gleich die erste Etappe nach Spa, streift als erster Deutscher nach dem Krieg wieder Gelb über (Bild unten). Zwar muss er die Führung zwischenzeitlich abgeben, erobert sie aber wieder zurück - bis zur 6. Etappe am 29. Juni 1962.
Denn da bringt eine Ausreißergruppe über fünf Minuten Vorsprung ins Ziel und Alberus Geldermans schlüpft in "maillot jaune". Altig aber schlägt sich mit diesem Rückstand noch prächtig, denn über 50 Fahrer kommen mit mehr als 30 Minuten zum Tagessieger in Brest an. Die Jury hat ein Einsehen und lässt sie trotz Überschreitung der Karenzzeit im Rennen, sonst hätte die Tour noch vor Ende der ersten Rennwoche über ein Drittel ihrer Starter auf einer Flachetappe verloren – wohl einmalig.
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Rudi Altig übernimmt 1962 das Gelbe Trikot bei der Tour de France

Fotocredit: Imago

Rudi Altig und der 29. Juni sollten aber weiter eng verbunden blieben: 1964 erobert er in Freiburg auf der 5. Etappe das Gelbe Trikot, trägt es wieder einige Tage – und verliert es wieder am 29.! Erneut war es aber kein Tag wie jeder andere – denn die Etappe führte u.a. über den Col de la Bonnette-Restefond, mit über 2800m eine Berg-Prüfung der absoluten Sonderklasse. Das "maillot jaune" in solcher Höhe getragen zu haben, können keine zehn Fahrer überhaupt von sich behaupten.
Teil drei der Saga um Altig und den 29. Juni folgt schließlich 1969: Da gewinnt Altig zum Tour-Auftakt am 28. Juni in grandioser Manier den Prolog mit Ziel im Velodrom von Roubaix. Doch am nächsten Tag ist Gelb schon wieder weg: Auf der ersten Halbetappe des Sonntags kann er es vor der Haustür von Eddy Merckx erst noch verteidigen. Im anschließenden Mannschaftszeitfahren aber übernimmt der Belgier nachmittags das "maillot jaune" – erstmals in seiner langen Karriere, in der er es öfter als jeder andere Fahrer tragen sollte.
Der 29. Juni 1969 war Altigs letzter Tag in Gelb in seiner Laufbahn – aber noch immer liegt der Weltmeister von 1966 mit insgesamt 18 Tagen im "maillot jaune" in der deutschen Rekordliste gleichauf mit Jan Ullrich ganz vorn.
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Stürze und Kopfstöße: Wilde Sprint-Action im Grenzbereich

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