Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Vierschanzentournee: Andreas Wellinger hat wieder ein Gerät - die Lehren aus Oberstdorf

Florian Bogner

Update 30/12/2022 um 14:27 GMT+1 Uhr

Karl Geiger und Andreas Wellinger zeigen in Oberstdorf zum Start der Vierschanzentournee 2022/23 mit guten Platzierungen auf - und hoffen schon in Garmisch-Partenkirchen auf den endgültigen Durchbruch. Während drei alte Polen einmal mehr ihre Tournee-Klasse unter Beweis stellen, springt Halvor Egner Granerud in einer eigenen Liga - und grantelt dennoch. Die Lehren vom Auftaktspringen.

Schmitt lobt DSV-Auftakt: "Die Ausgangsposition ist super"

Halvor Egner Granerud als wütender Sieger, Karl Geiger als strahlender Vierter und ein (ver)zweifelnder Markus Eisenbichler - der Auftakt der Vierschanzentournee 2022/23 hatte es wahrlich in sich.
Während sich Granerud als Dominator von Oberstdorf über die aus seiner Sicht zu lax mit dem Startgate umgehende Jury aufregte, freute sich Geiger über seinen gefühlt besten Wettkampf des Winters.
Auch wenn der 29-Jährige beim Heimspringen das Podium knapp verpasste, war er hochzufrieden mit sich und seiner Leistung. Dasselbe galt auch für Andreas Wellinger, der nach Platz sechs zum Start erstmals seit fünf Jahren wieder von einer Top-Platzierung in der Tournee-Wertung träumen darf.
"Sie haben jetzt Lunte gerochen", befand Bundestrainer Stefan Horngacher im Interview mit Eurosport: "Sie haben gesehen, dass es geht. Wir werden jetzt sehr akribisch dran arbeiten, dass wir noch weiter vorkommen und eventuell mal einen Podestplatz machen. Und dann versuchen wir, bis Bischofshofen voll durchzuziehen."
picture

Horngacher von Geiger und Wellinger begeistert: "Haben Lunte gerochen"

Die Lehren aus Oberstdorf.

1.) Grumpy Granerud will's wissen

Halvor Egner Granerud war im ersten Durchgang gerade mit 142,5 Metern bis auf einen Meter an den 19 Jahre alten Schanzenrekord seines norwegischen Landsmannes Sigurd Pettersen herangekommen und schimpfte im Tal dennoch wie ein Rohrspatz.
Was war passiert? Den Norweger ärgerte, dass ihn die Jury aus Gate 16 loslassen wollte, nachdem er im Probedurchgang aus Gate 14 bei ähnlichen Bedingungen bereits 138 Meter und damit einen Meter über Hillsize (HS 137) gesprungen war.
Zum Glück für Granerud holte ihn sein Trainer Alexander Stöckl per "Coaches Decision" eine Luke nach unten. So konnte der Norweger zumindest einigermaßen sicher landen, wenn auch nicht mit Telemark.
picture

Granerud springt nur knapp am Schanzenrekord vorbei

"Ich war ein bisschen böse und auch ein bisschen erschrocken", erklärte der 26-Jährige hinterher gegenüber Eurosport: "Es sollte nicht Alex' Verantwortung sein, dafür zu sorgen, dass ich morgen noch arbeiten kann."
Hätte sein Coach nicht reagiert, "wäre es zu weit gegangen. Darüber war ich nicht besonders glücklich", fügte er später auf der Pressekonferenz an.
Graneruds Sieg war dadurch aber nicht gefährdet. Nach Training, Qualifikation und Probedurchgang dominierte der Norweger auch die beiden Wettkampfdurchgänge mit Bestweiten (142,5 m/139,0 m) - ein beeindruckender Auftakt.
"Er war die ganze Zeit der Beste auf der Schanze. Er hat es bis zum Schluss durchgezogen, es war ein hochverdienter Sieg", befand Eurosport-Experte Martin Schmitt angesichts von zwölf Metern Weitenvorsprung des Norwegers auf den Zweiten Piotr Zyla (132,5 m/137,0 m): "Er war nicht zu schlagen."
Für Granerud, der 2019/20 nach zwei Springen die Tournee angeführt hatte, dann aber noch das Podium verpasste, ist der Tourneesieg diese Saison das große Ziel, wie er am Donnerstag gegenüber Eurosport bestätigte. "Ich habe den ganzen Sommer daran gedacht", sagte er.
Nun in Oberstdorf gewonnen zu haben, fühle sich "supercool an. Für mich wird damit ein Traum wahr", sagte er: "Das ist die pure Freude." Und ein Ausrufezeichen an seine Konkurrenz - mit ihm ist zu rechnen.
picture

"Schnall dich an!" Granerud fliegt in Oberstdorf überlegen zum Sieg

2.) Geiger und Wellinger haben Rückenwind

Es blies ordentlich von hinten in Oberstdorf, Rückenwind, das ungeliebte Kind der Skispringer. Im Fall von Karl Geiger und Andreas Wellinger war das kein Problem, die beiden Deutschen zeigten einen großartigen Wettkampf und sind nach Rang vier beziehungsweise sechs zum Auftakt in Schlagdistanz.
25.000 Zuschauer trugen die beiden diesjährigen Aushängeschilder des DSV ins Tal runter. Und auch wenn Geiger das Podest nach Sprüngen auf 136,5 und 134,0 Meter um 1,3 Punkte verpasste, war er dennoch hochzufrieden.
"Das war der beste Wettkampf, den ich diesen Winter gemacht habe. Platz vier klingt immer undankbar, aber das sehe ich nicht so", meinte er. Nach einem verhaltenen Start in den Weltcupwinter mit nur einem Podestplatz (Dritter in Titisee-Neustadt) tastet sich Geiger weiter an die Weltspitze heran.
picture

"Sensationell!" Geiger trotzt dem Rückenwind im Finale von Oberstdorf

"Es geht um das Vertrauen in den richtigen Sprungansatz: Das man genau weiß, wenn ich dieses und jenes richtig mache, dann geht der Sprung", sagte er zu Eurosport: "Diese Punkte muss man manchmal ein bisschen suchen, aber wenn man es hat und die Erfolgserlebnisse kommen, kann man es auch immer mehr laufen lassen."
Nach Garmisch nimmt er jedenfalls "eine gute Portion Selbstvertrauen mit. Die muss man in die richtigen Bahnen lenken und dann werden wir angreifen."
Das "Wir" bezog sich in dem Fall auch auf Andreas Wellinger. Der Olympiasieger von 2018 hat nach schwierigen, verletzungsdurchzogenen Jahren das Vertrauen in sich und sein (neues) Material gefunden und springt seit Engelberg plötzlich konstant gut - am Donnerstag auf 135,0 und 132,0 Meter.
picture

135 Meter! Wellinger haut im ersten Durchgang einen raus

"Ich bin super zufrieden. Es ist echt wieder Skispringen auf hohem Niveau", sagte er: "Wenn man sieht, wo ich die letzten Wochen hergekommen bin, ist das ein Riesenschritt. Deswegen bin ich sauhappy. Dass der sechste Platz dabei rausgesprungen ist, ist echt cool."
Geiger und Wellinger haben aus dem durchwachsenen Saisonstart "die nötigen Schlüsse gezogen. Jetzt muss es wachsen. Jetzt gilt es, das Niveau zu stabilisieren, dann kommen auch wieder die außergewöhnlichen Sprünge", sagte der Team-Olympiasieger von 2002.
picture

Wellinger freut sich über Top-Platzierung: "Ein Riesenschritt"

"Es ist viel mehr Dynamik drinnen", meinte auch Bundestrainer Stefan Horngacher: "Die Abstände nach vorne sind deutlich geringer geworden. Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg."
Dass nach Philipp Raimund (14.) die Teamleistung im DSV ein wenig abfiel, hinderte Geiger nicht daran, für Garmisch eine Kampfansage zu machen. "Das war ein gutes Ergebnis. Ich glaube, dass wir als Mannschaft noch mehr können. Wir werden Gas geben", sagte der Oberstdorfer.
picture

Geiger im Eurosport-Interview: "Es war unglaublich cool"

3.) Polen sind Tournee-Monster

Blickt man auf die Siegerliste der letzten Jahre, ist sonnenklar: Die Polen schaffen es immer, zur Tournee topfit zu sein. Vier der letzten sechs Siege gehen auf das Konto von Kamil Stoch (drei) und Dawid Kubacki (einer), Letzterer war zudem einmal Dritter und Piotr Zyla 2017 hinter Stoch Zweiter.
Dass die drei großen Polen mittlerweile alle über 30 sind, hinderte sie nicht daran, in Oberstdorf die Plätze zwei, drei und neun einzunehmen, wobei Stoch dabei Pech hatte, weil es just vor seinem zweiten Sprung eine lange Windpause gegeben hatte und der Altmeister mehrere Minuten auf dem Sprungturm ausharren musste, ehe er springen durfte.
Im Fall von Kubacki ist Platz drei fast schon eine Enttäuschung, hatte der 32-Jährige sich als Führender im Gesamtweltcup doch mehr erhofft. An Granerud war jedoch in Oberstdorf kein Vorbeikommen.
Dass sich in Zyla noch einer am Blondschopf vorbeischob, konnte dieser jedoch verkraften. "Das war eine tolle Vorstellung unserer Mannschaft, es fühlt sich fast wie ein Sieg an", meinte Kubacki. "Es war nicht einfach, ein harter Wettbewerb. Ich bin froh, dass ich auf dem Podium stehe, obwohl ich ein paar kleine Fehler gemacht habe. Aber ich bin auch nur ein Mensch", fügte er an.
picture

Kubacki herzt Zyla: Polnischer Doppelpack auf dem Podium

Zyla wiederum verriet bei Eurosport, dass er eine Top-Platzierung vorher quasi schon im Gespür, ja richtiggehend visualisiert hatte. "Ich habe heute wirklich hart trainiert, auch mental. Ich habe an mich und meine Chance geglaubt und quasi schon einen guten Wettkampf erwartet", sagte der 35-Jährige, der sich in bester Zyla-Manier anschließend auch unbändig über Platz zwei freute.
"Für mich ist es wichtig, dass ich das Skispringen genießen kann und Spaß daran habe. Dann kann ich auch mein Bestes zeigen", sagte er und verabschiedete sich freudestrahlend in Richtung Garmisch.
picture

Raimund happy über Platz 14: "Hab das Beben auf dem Balken gespürt"

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung