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Boris Becker exklusiv über Alexander Zverev: Deutsche Nummer eins muss bei der Turnierplanung Prioritäten setzen

Thomas Gaber

Update 19/10/2023 um 22:49 GMT+2 Uhr

Alexander Zverev feierte kürzlich im chinesischen Chengdu seinen zweiten Turniersieg in diesem Jahr. Es folgte der Halbfinaleinzug in Peking, ehe er zweimal in Folge in der ersten Runde ausschied. Dadurch droht Zverev die ATP Finals in Turin im November zu verpassen. Für Boris Becker kann Zverev seine Turnierplanung optimieren, wie er Eurosport exklusiv in seinem Podcast verriet.

Becker warnt Zverev: "Kann auf Dauer nicht gut gehen"

Alexander Zverev ist erfrischend ehrlich bei der Analyse seiner Matches. Besonders im Misserfolgsfall geht der Deutsche mit sich selbst schonungslos ins Gericht, Ausreden haben da keinen Platz.
Jüngstes Beispiel: Zverevs Reaktion auf die Erstrundenpleite in Tokio (3:6, 4:6) gegen den Australier Jordan Thompson. "Es gibt nichts, was ich gut gemacht habe, ich habe schrecklich gespielt. Das war ein sehr, sehr schlechtes Match von mir", sagte Zverev.
Es war die zweite Niederlage zum Auftakt in Folge für den 26-Jährigen, eine Woche zuvor hatte beim Masters in Shanghai sang- und klanglos gegen den Russen Roman Safiullin verloren (3:6, 1:6). Zwei Pleiten in der ersten Runde hintereinander hatte Zverev zuletzt im Februar 2017 (!) kassiert - im zarten Alter von 19.
Dabei hatte die Asien-Tour für Zverev ideal begonnen: In Chengdu/China feierte er seinen zweiten Turniersieg 2023 durch einen hart erkämpften Dreisatzsieg gegen Safiullin. In der Woche drauf erreichte er in Peking immerhin das Halbfinale, war dort gegen Daniil Medvedev beim 4:6, 3:6 aber chancenlos.

Jetzt anhören: Die neue Podcast-Folge mit Boris Becker

In seinen letzten drei Matches gewann Zverev gerade mal 18 Spiele, verlor sechs Mal seinen Aufschlag und konnte selbst keine Breakchance nutzen. Die Form ist völlig dahin, die Teilnahme der besten acht Spieler dieser Saison an den ATP Finals in Turin noch lange nicht in trockenen Tüchern.
Boris Becker begründet dies mit der mehrwöchigen, strapaziösen Reise in Fernost. "Nach einer langen Saison ist es auch von der Psyche her nicht einfach, mehrere Wochen in Asien zu spielen, da herrschen andere Sitten, es ist eine andere Kultur", sagte Becker im Eurosport-Podcast "Das Gelbe vom Ball".
"Nach der dritten, vierten Woche - ich habe das auch mal erlebt - kann da schon auch Heimweh aufkommen. Man möchte dann zurück nach Europa, mal wieder im eigenen Bett schlafen", so Becker weiter.
Letztlich habe sich Zverev die Durststrecke jedoch selbst zuzuschreiben aufgrund der Turnierplanung.
Becker legt den Finger in die Wunde: "Du kannst nicht jedes Jahr 25 Turniere spielen. Auch Sascha wird ein bisschen älter. Das ist gar nicht unbedingt eine körperliche Sache, sondern eher eine geistige. Du kannst nicht jede Woche frisch sein. Da muss man für sich die Prioritäten finden und dann auch mal eine Pause machen. Pausen gehören zum Training. Nur in einem gesunden Körper mit einem gesunden Geist und einer gesunden Seele kann man sein bestes Tennis spielen."
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Zverev scheitert zum Auftakt in Tokio an Außenseiter

Becker rät Zverev: "Du musst auch mal Abstand gewinnen"

In Shanghai und Tokio wirkte Zverev müde und unkonzentriert. "Du musst auch mal Abstand gewinnen, kannst nicht jede Woche im Umkleideraum sein, in der Players Lounge, in irgendeinem Flieger zum nächsten Turnier. Das macht mürbe. Dann verlierst du irgendwann auch die Inspiration und die Lust, wirklich gerne auf dem Platz zu gehen", weiß Becker.
23 Turniere hat Zverev seit dem United Cup im Januar in Brisbane gespielt, hinzu kommt der Auftritt im Davis Cup gegen die Schweiz im Februar mit zwei Einzelmatches. Seinen Start beim Rasenturnier in Stuttgart hatte er wegen einer leichten Oberschenkelverletzung abgesagt.
In der kommenden Woche steht für Zverev die Erste Bank Open in Wien an, im Anschluss das letzte Masters-Turnier der Saison in Paris.
Damit er nicht im Herbst von Turnier zu Turnier hetzen muss, sollte Zverev seine Turnierplanung überdenken. "Mein Ratschlag wäre, die Prioritäten des Jahres herauszufiltern und zu sagen: 'Ich möchte in Wimbledon gut spielen. Was mache ich dafür, welche Rasenturniere spiele ich?' Gleiches gilt für die Sandplatzturniere für Paris und die Hartplatzsaison Richtung US Open. Dann kann man im Herbst schauen, was einem fehlt, um beim ATP-Finale dabei zu sein", verdeutlicht Becker.
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Federer, Nadal, Djokovic - Vorbilder bei der Turnierplanung

Lernen könne Zverev dabei von den Superstars Roger Federer, Rafael Nadal und Nova Djokovic. "Turnierplanung ist eine Kunst", stellt Becker klar: "Auch da muss man auf die großen Drei schauen, wie sie es mit Mitte 30 immer noch schaffen, in der absoluten Weltklasse zu spielen. Sie haben einen anderen Turnierplan, eine andere Trainingsvorbereitung und machen andere Pausen - sie regenerieren also auch besser. So kann man die Karriere auch etwas verlängern."
Die jüngere Generation stehe sich diesbezüglich selbst im Weg. "Ich mache bei den jüngeren Spielern ein bisschen Sorgen, wenn sie jede Woche spielen. Das kann nicht gut gehen. Du kannst nicht jede Woche immer deine Topleistung bringen. Dann verlierst du die Matches und das Selbstvertrauen. Da muss man auch von den Besseren lernen", fordert Becker.
Gerade im Fall von Zverev sieht der sechsmalige Grand-Slam-Champion eine leichtfertige Verschwendung von physischen und psychischen Ressourcen. "Sascha ist einfach Weltklasse, das weiß er jetzt. Er kann davon ausgehen, dass er bei gut vorbereiteten Turnieren einfach immer ins Viertelfinale, Halbfinale oder Finale kommt. Danach muss man sich aber auch mal belohnen und vielleicht eine kleine Auszeit nehmen", rät Becker.
Um seinen Startplatz in Turin, wo Zverev 2021 triumphierte, abzusichern, braucht er nun in Wien und Paris gute Ergebnisse - oder muss auf Patzer der Konkurrenz hoffen. Noch ist der die Nummer sieben im Ranking, doch die Verfolger holen auf. Ausruhen ist nicht - für keinen, der nach Turin will. Becker hebt den Zeigefinger: "Wer glaubt, er wäre jetzt schon sicher in Turin - Pustekuchen! - der muss noch drei Wochen arbeiten und zittern."
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